Mittwoch, 5. August 2009

das prinzip der inneren notwendigkeit

Muss ein Quadrat rot, ein Dreieck gelb und ein Kreis blau sein?

Ein Umfrage im Jahre 1923 unter den Schülern und Professoren der Kunstschule Bauhaus befand in der Tat, dass die Grundfarben bestens harmonisch auf die genannte Art und Weise den bestimmten Grundformen zuzuordnen ist. Jedoch können die Schüler Wassily Kandinskys, der seit 1921 am Bauhaus unterrichtete, insofern kaum als unbefangen gelten: Kandinsky befasste sich bereits 1911 in seiner Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ mit dem Zusammenspiel von Form und Farbe.

Nun ist natürlich nicht wie in den nebenstehenden karikierenden Abbildungen zwingend ein Kreis blau sein usw. Natürlich ist entscheidend, dass die Wirkung eine andere sein soll, wenn ein Kreis gelb ist. „Dabei lässt sich leicht bemerken, daß manche Farbe durch manche Form in ihrem Werte unterstrichen wird und durch andere abgestumpft. Jedenfalls spitze Farben klingen in ihrer Eigenschaft stärker in spitzer Form (z.B. Gelb im Dreieck). Die zur Vertiefung geneigten werden in dieser Wirkung durch runde Formen erhöht (z.B. Blau im Kreis).“ Die gewollte Wirkung auf den Betrachter bestimmt also die Zusammenstellung von Form und Farbe, aber der Effekt von Form und Farbe verstärkt sich in der genannten Kombination. Dies nennt Kandinsky das Prinzip der inneren Notwendigkeit.

Bei Raimer Jochims Arbeitsnotizen "Farbe sehen" 1973-1994 klingt die Auseinandersetzung mit der Farb-Form-Beziehung schon etwas verfeinerter:"die passive, kontraktive Farbe muss größer gegeben werden als die aktive, expansive, damit sie gleichwertig erscheinen. (...) Je intensiver die Farbe, desto bewegter der Umriss." Die aktivere richtet sich auf, die unintensivere (dunklere, ungesättigtere, kühlere) liegt." Als bestimmendes Element sind also nicht nur Form/Gegenstand und Farbe genannt, sondern auch der Umriss selbst. Insoweit scheint mir das Grundprinzip der inneren Zugehörigkeit zumindest noch das Gleiche zu sein. Was ich nicht verstehe ist, warum Farben gleichwertig sein müssen. Ob Farben dominieren oder auch nicht gehört ebenso zur Bildkomposition selbst, ob sie anspricht hängt nun vom Zeitgeist und der Stärke der Ausführung ab. Insofern weist erfreulicherweise Kandinsky auf das Innere der Notwendigkeit hin: „Es gibt kein muß in der Kunst, die ewig frei ist. Vor dem muß flieht die Kunst, wie der Tag vor der Nacht.“

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