Freitag, 30. Oktober 2009

foto stuff: jahreszeiten durcheinander



Krakau Straße vom Hauptmarkt
Herbst
platz an der marienkirche

tracklist

Wenn ich einmal eine Musik ins Herz geschlossen habe, höre ich sie gerne am Endlosband. Vielleicht weil Repetition grundsätzlich beruhigend wirkt, vielleicht weil Bekanntes weniger anstrengt als Neues mögen zu lernen. Die folgenden Stücke und CDs jedenfalls wären gut dazu geeignet, in diese Endlosschleife aufgenommen werden.
  • David Fray spielt von Schubert die Moments musicaux op. 94 D 780 Nr. 1-6 auf seiner neuen CD. Und zwar so weich, verträumt, melancholisch, leicht, ohne ins allzu romantisierende abzugleiten. Wundervoll.
  • Das Gitarrenkonzert von Joaquin Rodrigo, Concierto de Aranjuez fasziniert mich schon wegen seiner Entstehungsgeschichte - in den Kriegswirren 1939 und in Gedenken an den todgeborenen Sohn geschrieben - wegen seiner Rezeption - wie viele filmische Liebesszenen werden durch den 2. Satz untermalt - und wegen der einfach angenehmen Mischung aus klassischer kaum dissonanter Musik, spanischen Klängen und irgendwas.
  • Die CD Nr. 2 der Puppini Sisters mit dem etwas langen und merkwürdigen Namen "The Rise & Fall of Ruby Woo" zeigt deutlich den Fortschritt der Band seit ihrer ersten CD. Die Intonation ist erfreulicher, die Präsentation etwas entspannter.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

skandalöse kunst - kunstskandale

Die deutschen Kunstskandale scheinen ihre Ursache häufig - wahrscheinlich hoch simplifiziert aber immerhin doch als roter Faden erkennbar - in Darstellung oder Zurschaustellung von Sex, Drugs, und Rechtsradikale oder Religion zu haben. Als anstößig empfand man 1963 den ornanierende Junge von Georg Baselitz, erst vor kurzem den goldenen Hitlerzwerg von Otmar Hörl. Immendorf hat die Öffentlichkeit mit Drogenexzessen geschockt. Natürlich lassen sich auch "Skandale" wie die Fettecke von Joseph Beuys, die von einer übereifrigen Reinigungsfachkraft entfernt wurde, in eine Reihe von Kunstskandalen aufnehmen. Aber solch ein Vorkommnis skandalisiert nicht Künstler oder Kunst, sondern im Gegenteil ein fehlendes "Kunstverständnis" Vieler (obwohl es nun auch einer Art Avantgarde wohl ansteht, Vorreiter zu sein und Neues, Vielen zunächst nicht Zugängliches zu produzieren). Die Aufsehen erregenden, Anstand verletzenden Themen der Kunst und Künstler selbst scheinen also doch grob erfasst.
Als 1963 Georg Baselitz seine Bilder "Die große Nacht im Eimer" und "Der nackte Mann" in seiner ersten Einzelausstellung der Berliner Galerie präsentiert, beschlagnahmte die Polizei diese anstößigen Objekte. Eines zeigt einen Zwerg oder Jungen, der mit übergroßem Geschlechtsorgan onaniert. Bereits morgens um vier Uhr veröffentlichte eine Zeitung die Schlagzeile "Sittenskandal am Kurfürstendamm". Der Prozess zog sich hin, erst der BGH hat das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Heute gehört das Bild zum Bestand des Museum Ludwig in Köln.

Der Nürnberger Kunstprofessor Otmar Hörl ist seit Juli 2009 einem Strafverfahren ausgesetzt, da seine goldenen Gartenzwerge, die ihre rechte Hand zum Hitlergruß erheben, möglicherweise einen Straftatbestand der Verwendung. Ein Unbekannte hat die Skulptur in einer Nürnberger Galerie gesehen und sich öffentlich beschwert, und das obwohl der Zwerg in zwei Ausstellungen in Gent und Bozen allenfalls eine angeregte Diskussion ausgelöst hat.

Eine Frage drängt sich aber doch auf: schön muss man die Objekte nicht finden, als anstößig kann man sie vielleicht betrachten, aber ist es Aufgabe der Polizei, der Strafgerichte ein ausgelöstes Unwohlsein in strafrechtliche Sanktionen umzuwandeln? Natürlich bedeutet künstlerischer Ausdruck keine Lizenz zur vollkommenen Freiheit, kein Künstler lebt in einem rechtsfreien Raum. Aber wo ist der Sinn für Ironie, für Überzeichnung und Vielschichtigkeit von Kunstdeutungen. Der Zwerg weist doch auf die wahre geistige Kleinheit des Nazi-Regimes hin. Der onanierende Junge mag auf die Überbetonung der Geschlechtsorgane im Westen oder Ähnliches hinweisen. Es gibt viele Sichtweisen auf Kunst und die ästhetische ist sicher nur eine davon. Inwiefern daraus eine Strafbarkeit folgt ist eine diffizile Abwägung im Einzelfall. Insgesamt dürfte aber für Kunstskandale regelmäßig - wie im Fall von Baselitz - das Strafrecht als zu schweres Schwert zu sehen sein und die Geringfügigkeit des Vergehens ein angemessenes Verdikt.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

alltäglich schönes: cafés

In Cafés rumzuhängen ist eine wunderschöne Sache. Ein Freund meint allerdings jedesmal, wenn ich nicht gesprächig bin und eigentlich eine gepflegte Lektüre einer gepflegten Konversation vorziehe würde, dass ich wieder "im Café" sei. Er meint wohl verträumt. Er meint wohl, Kaffee trinken kann man auch zu Hause, selbst Kuchen backen ist günstiger und man kennt sämtliche Zutaten. Aber diese besondere Stimmung, die sich daraus zusammensetzt, neue Kuchen auszuprobieren, Kaffee mit irgendeinem merkwürdigen flavour zu bestellen, einfach nur einen richtigen Cappuccino zu genießen - und aber auch fremde Menschen im Blick zu haben, eine abwechslungsreiche Einrichtung aufzunehmen und sich einfach mal was anderes zu gönnen -, diese Stimmung, die gibt es zu Hause einfach nicht. Im Café sein ist ein bisschen wie auf einer Insel sein.





Mittwoch, 7. Oktober 2009

die vereinigung jiddischer polizisten

Dieser merkwürdig verschwörerische Titel hat mich angezogen - und tatsächlich das neuere Buch von Michael Chabon kann mehr als andere Krimis. Wobei auch die Kriminalgeschichte als plot selbst hübsch ist. Der Polizist Landsman findet in seinem ihm als Wohnung dienenden Hotel einen Mann tot auf. Die einzigen beiden Hinweise, ein begonnenes Schachspiel und ein jüdischer Gebetsriemen führen zu einem Schachclub und den Verbover Chassidim. Deren mächtigster Rebbe der Gegend, Shpilman, so kommt heraus ist der Vater des Ermordeten Mendel Shpilman. Mendel zeigte schon früh eine Begabung für Übersinnliches, so dass er als »Tzaddik ha-Dor« (Gerechter seiner Generation) gehandelt wird. Bevor er ausbricht und Heroinsüchtiger wird und ermordet wird. Hinweise der Mutter Shpilman führen zu einem jüdischen Ernüchtigungslager... Ein Hinweis führt zum anderen - wie es sich für saubere deduktive Dedektivarbeit gehört, sehr gradlinig, fast ohne falsche Fährten. Landsman ist ein verkommener Harter. Ich hatte das Gefühl, mich auf diesem seltsamen Territorium zwischen Babel und Chandler zu bewegen. Ich wollte gewissermaßen die Tradition des hartgesottenen amerikanischen Detektivromans judaisieren. Aber wegen seiner auch selbstzweifelnden, alkoholismusgetränkten selbstzerstörerischen Art weniger hart als bei Raymund Chandler finde ich. Sein Compagnon beim dedektieren der Vernünftige, der ihm aber grundsätzlich folgt. Und nicht zu vergessen seine Ex-Frau als sein Chef, die ihm aber letztlich doch mit viel Verbissenheit für den Fall zur Seite steht. Also auch dedektivtechnisch sehr vielseitig.
Die um und in diesen Plot verflochtenen Themen aber sind es, die einem in ihrer Fülle den Atem rauben (sie verlangsamen leider auch manchmal die Erzählzeit): Judentum, Schach, Ehe und Familie, Politik, Geschichte, Drogensucht und Alkoholismus, ein wenig auch Homosexualität. Meistens flicht Micheal Chabon - so scheint mir - seine Informationen dazu sehr nebensächlich an. Die alternative Geschichte zum Beispiel. Erst allmählich setzt sich zusammen, dass die Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg in dem Roman eine andere ist als unsere. Einen Atombombenabwurf im Jahre 1946 auf Berlin ist eher beiläufig erwähnt. Israel wurde nicht gegründet, stattdessen finden Juden auf Zeit Platz in Sitka, Alaska, die sich dort eine Zwischenexistenz aufgebaut haben. Und das ganze sprachlich wunderschön verpackt. Sehr blumig, ungewöhnliche Kombinationen aber sehr treffend und auch witzig geschrieben - finde ich. Auf jeden Fall ein reicher (Kriminal-)roman.

Dienstag, 6. Oktober 2009

nobelpreisrätseln

Bei weitem kenne ich nicht alle Literaten, die für den diesjährigen Literaturnobelpreis gehandelt werden. Diese Wettliste scheint mir daher sehr informativ. Amos Oz ist also Favorit, einer der mir sprachlich und thematisch auch sehr zusagt. Andererseits - Phillip Roth ist dem Preis oft nah gewesen und hat ihn letztlich doch nicht bekommen. Man wird sehen. Daneben kann über den "Nobelpreis für Ökonomie" seine Einschätzung abgeben. Den Wettquoten zufolge, wird Eugene Fama ganz oben gehandelt. Wobei Oliver Williamson wegen seiner grundsätzlichen Arbeit zur Organisation und Transaktionskosten-Theorie mir als ein sehr würdiger Kandidat erscheint. Insgesamt aber ist die Liste mit sehr vielen Amerikanern bevölkert, wieder mal nicht eine Frau darunter.
Dieser "Wirtschaftsnobelpreis" ist hingegen gar kein normaler Nobelpreis. Es ist genau genommen der Preis für Wirtschaftswissenschaften der Schwedischen Reichsbank gestiftet in Andenken an Alfred Nobel. Alfred Nobel selbst hat entsprechend seiner eigenen Interessen nur fünf Disziplinen, drei Naturwissenschaften, Literatur und Frieden, eingerichtet. Seit 1969 hingegen verleiht die Schwedische Reichsbank daneben den "Wirtschaftsnobelpreis". Friedrich Hayek, österreichischer Ökonom und Preisträger, legte in einer Rede Zweifel an der Funktion eines derartigen Preises dar: "Es handelt sich darum, dass der Nobelpreis einem einzelnen eine solche Autorität gibt, wie sie in der Wirtschaftswissenschaft niemenad besitzen sollte. In den Naturwissenschaften ist dies nicht schlimm. Hier ist der Einfluß, den ein einzzelner ausübt, ein Einfluß auf seine Fachgenossen, und diese werden ihn schnell auf das richtige Maß beschneiden, wenn er seine Kompetenz überschreitet. Aber der Einfluß des Nationalökonomen, auf den es hauptsächlich ankommt, ist ein Einfluß auf Laien, auf Politiker, Journalisten, Beamte und auf die Öffentlichkeit im allgemeinen." Seine Lösung: "Oder Sie sollten zumindest bei Verleihung des Preises den Empfänger an den weisen Rat eines der Großen in unserem Fach erinnern, an Alfred Marshall, der einmal schrieb: Sozialwissenschaftler müssen den Beifall der Mass fürchten: Der Teufel ist mit ihnen, wenn alle Leute gut von ihnen sprechen."
Derartige Überlegungen zu den Folgen des Preises für das Verhalten der Preisträger scheinen mir typisch ökonomisch. Alfred Nobel hingegen hatte seinem Testament nach zu urteilen wohl weniger die Zeit nach der Preisvergabe im Blick, als die Ehrungen von in der Vergangenheit bereits gezeigten besonderen Verdiensten. Denn es soll derjenige geehrt werden, der der Menschheit wertvolle Dienste geleistet hat; der Literaturpreis an denjenigen vergeben werden, "der im idealistischen Sinne das größte literarische Werk hervorgebracht haben wird". Mit der zunehmend wahrgenommenen Bedeutung der Ökonomie hat die Reichsbank ein weiteres Verdienstfeld gesehen und die Tradition und Berühmtheit der Nobelpreise für eine Ergänzung genutzt. In diesem Sinne ist dann doch aber auch der Wirtschaftspreis in erster Linie eine Ehrung für Dienste an der Menschheit und erst in zweiter Linie ein Problem für Anreiztheoretiker. Somit ist die Frage, wie die Komitees die Verdienste von Amos Oz, Eugene Fama und den anderen Nobelpreisverdächtigen einschätzen. Am 8. Oktober wird der Name des Literaturpreisträgers, am 12. Oktober der des Wirtschaftspreisträgers bekannt gegeben.

Samstag, 3. Oktober 2009

mauvenfarbene auren

"Die Hexen von Eastwick" von John Updike ist ein merkwürdig schillernder Roman. Eine der drei Hexen von Eastwick, Alexandra, hat eine besondere Gabe; Menschen umgebende, farbige, leuchtende Auren wahrzunehmen. Dann sieht sie eine pulsierende, mauvenfarbene Aura, es leuchtet schwach der erdige Ton des Pfarrers und Geliebten der befreundeten Hexe - oder so ähnlich. Nun, dachte ich zunächst, was für ein Quatsch. Und auch Wikipedia steht derartigen Wahrnehmungen skeptisch gegenüber: "Als Aura oder Energiekörper eines Menschen wird in verschiedenen esoterischen Lehren eine Ausstrahlung bezeichnet, die für psychisch oder anderweitig entsprechend empfindsame Menschen als Farbspektrum, das den Körper wolken- oder lichtkranzartig umgibt, wahrnehmbar sein soll." Diese Skepsis nährt sich weiter durch ernsthafte google-Recherchen, bei der man auf folgende Weisheiten stößt. "Blau bedeutet Klarheit. Die Menschen mit blauer Aura-Energie erschaffen Klarheit mit ihrer Stimme, bringen klare Gedanken und Energien verbal in düstere Gefilde, wenn sie sich in der entsprechenden Umgebung befinden. Sie werden auf diesem Planeten sehr gebraucht, und besonders in Deutschland. In den USA ist blau weniger notwendig, die Strukturen sind klarer, dafür fehlt es an orangefarbenen Energien. Der Dalai-Lama hatte früher silberne Aura-Energie: seherisch, spirituell, tiefreligiös im besten Sinne. Bis er sich mit dem Westen einließ... Falls du mal vor einer stehst, die einen goldenen Energiekreis hat, dann ist es ein Engel oder etwas dergleichen! Auf jeden Fall kein „normaler“ Mensch." Normal ist ein hochkomplexes Konzept. Dessen Verwendung in diesem Kontext mich jedenfalls davon abgeschreckt, tiefer in die Esoterik der Feinstofflichkeit einzudringen.


Wenn man trotz derartiger Merkwürdigkeiten wohlwollend und gepflegt über Auren sinniert, lassen sich in der Tat zu einigen Personen Farben assoziieren. Als schönes Spiel. Die Frage ist nur, inwiefern dieses Spiel aussagekräftig ist; sagt es mehr über die mit Farben versehene Person, oder den Spieler selbst? Wahrscheinlich Letzteres. Der Neuropsychologe Jamie Ward veröffentlichte 2004 eine Studie, in der er die Fähigkeit, Auren wahrzunehmen, Synästhetikern zuschreibt. Solche Menschen, die Emotionen und Farben verbinden, scheinen danach auf diese Art ihr eigenes Verhältnis zu anderen Personen wahrzunehmen. Eine angenehm systematisch klare Erklärung, ohne nervenaufreibende Feinstofflichkeit. Allerdings verschärft diese Erklärung meine Bedenken gegenüber der Figur der Hexe Alexandra aus "Die Hexen von Eastwick". Diese Frauen sind für mich schlicht merkwürdige Wesen mit ein paar zu menschlichen Eigenschaften und aus männlicher Sicht geschilderten weiblichen Begierden gespickt mit Hexenklischees. Ob ich mir nun auch den kürzlich als Taschenbuch erschienenen Folgeroman von John Updike "Die Witwen von Eastwick" zulegen werde - ich bin skeptisch und unschlüssig.