Mittwoch, 7. Oktober 2009

die vereinigung jiddischer polizisten

Dieser merkwürdig verschwörerische Titel hat mich angezogen - und tatsächlich das neuere Buch von Michael Chabon kann mehr als andere Krimis. Wobei auch die Kriminalgeschichte als plot selbst hübsch ist. Der Polizist Landsman findet in seinem ihm als Wohnung dienenden Hotel einen Mann tot auf. Die einzigen beiden Hinweise, ein begonnenes Schachspiel und ein jüdischer Gebetsriemen führen zu einem Schachclub und den Verbover Chassidim. Deren mächtigster Rebbe der Gegend, Shpilman, so kommt heraus ist der Vater des Ermordeten Mendel Shpilman. Mendel zeigte schon früh eine Begabung für Übersinnliches, so dass er als »Tzaddik ha-Dor« (Gerechter seiner Generation) gehandelt wird. Bevor er ausbricht und Heroinsüchtiger wird und ermordet wird. Hinweise der Mutter Shpilman führen zu einem jüdischen Ernüchtigungslager... Ein Hinweis führt zum anderen - wie es sich für saubere deduktive Dedektivarbeit gehört, sehr gradlinig, fast ohne falsche Fährten. Landsman ist ein verkommener Harter. Ich hatte das Gefühl, mich auf diesem seltsamen Territorium zwischen Babel und Chandler zu bewegen. Ich wollte gewissermaßen die Tradition des hartgesottenen amerikanischen Detektivromans judaisieren. Aber wegen seiner auch selbstzweifelnden, alkoholismusgetränkten selbstzerstörerischen Art weniger hart als bei Raymund Chandler finde ich. Sein Compagnon beim dedektieren der Vernünftige, der ihm aber grundsätzlich folgt. Und nicht zu vergessen seine Ex-Frau als sein Chef, die ihm aber letztlich doch mit viel Verbissenheit für den Fall zur Seite steht. Also auch dedektivtechnisch sehr vielseitig.
Die um und in diesen Plot verflochtenen Themen aber sind es, die einem in ihrer Fülle den Atem rauben (sie verlangsamen leider auch manchmal die Erzählzeit): Judentum, Schach, Ehe und Familie, Politik, Geschichte, Drogensucht und Alkoholismus, ein wenig auch Homosexualität. Meistens flicht Micheal Chabon - so scheint mir - seine Informationen dazu sehr nebensächlich an. Die alternative Geschichte zum Beispiel. Erst allmählich setzt sich zusammen, dass die Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg in dem Roman eine andere ist als unsere. Einen Atombombenabwurf im Jahre 1946 auf Berlin ist eher beiläufig erwähnt. Israel wurde nicht gegründet, stattdessen finden Juden auf Zeit Platz in Sitka, Alaska, die sich dort eine Zwischenexistenz aufgebaut haben. Und das ganze sprachlich wunderschön verpackt. Sehr blumig, ungewöhnliche Kombinationen aber sehr treffend und auch witzig geschrieben - finde ich. Auf jeden Fall ein reicher (Kriminal-)roman.

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