Dienstag, 28. Juli 2009

blumen- und fruchtstücke

Sehen wir nicht den Humor als offenkundiges Zeichen von Lebensbejahung? Bei Jean Paul allerdings ist er derart ironisch-sarkastischer Natur, dass er alles - wenn auch liebevoll - hinterfragt. Seine prägnante, aphorismusartige Schreibweise zeichnet sich gerade durch dieses "über alles stehen" aus. Er erzählt nicht nur von dem Armenadvokaten Siebenkäs, dessen Verehelichung, Scheidung und Wanderschaften, sonder spickt die Erzählung mit Blumenstücken - surrealistischen Traumsequenzen - und Fruchtstücken - philosophischen Einschüben. Diese Komposition auch als blumig, fruchtig, quasi unbeschwert heiter zu bezeichnen fällt schwer, aber er trifft so ätzend kurz und überdeutlich den Kern einer Sache, dass man sich das Schmunzeln häufig nicht verkneifen kann? Aus Siebenkäs zur Illustration die folgenden Auszüge:
"Einen solchen Fürstenbund zweier seltsamer Seelen gab es nicht oft. - Dieselbe Verschmähung der geadelten Kinderpossen des Lebens, dieselbe Anfeindung des Kleinlichen bei aller Schonung des Kleinen, derselbe Ingrimm gegen den ehrlosen Eigennutz dieselbe Lachlust in der schönen Irrenanstalt der Erde, dieselbe Taubheit gegen die Stimme der Leute, (...)."
"(...) - wie der Haus- oder Mietherr, ein lustiger, schwindsüchtiger Sachse, durch sein Pudern und Trinken nicht in die Welt hinein lebte, sondern aus ihr heraus."
"Siebenkäs hatte das Kleine lieb, weil es in seinen Augen ein satirischer zerrbildnerischer Verkleinerspiegel alles großen bürgerlichen Pompes war."

"(...) sein Beinkleidchen und sein Röckchen und alles salzte die Weiber im Hause bloß durch den Vorübergang zu Lothischen Salzsäulen ein."
"(...) alles dieses senkte seine Seele in humorisch-melancholische Betrachtungen über unser aus farbigen Minuten, Stäubchen, Tropfen, Dünsten und Punkten zusammengestoppeltes Mosaik-Gemälde des Lebens ein."
"- Lieber Held! - Bleib aber einer! -"

"(...) weil Jakopb Oehrmann allen Menschen gerade so viel moralischen Kredit gibt, als sie kaufmännischen haben, an welches Rekrutenmaß des Wertes ihn die Kaufleute gewöhnt haben, die einander mit metallnen Ellen messen!"

"Ehemänner (...) sprechen in der ehelichen Behaglichkeit so uferlos überfließend außen mit der Frau als jedermann innen mit sich selber; vor niemand aber in der Welt wiederholt man sich öfter als vor dem eignen Ich, ohne sich das Wiederholen nur abzumerken, geschweige nachzuerzählen."

"(...) glücklich ist jeder Schauspieler im Schuldrama der Erde, dem die höhere innere Täuschung die äußere ersetzt oder verdeckt (...)"

"Nichts macht humoristischer (...) wenn man (...) wie die Perlenmuschel, die Löcher, welche Würmer in unsere Perlenmutter boren mit Perlen der Maximen vollschwitzen muß."

"Die Menschen sind so sehr in ihre Ich eingesunken, daß jeder den Küchenzettel fremder Leibgerichte gähnend anhört und doch mit dem Intelligenzblatte der seinigen andere zu erfreuen meint." (Was durchaus auch ein Problem bei Blogs ist?)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen