Montag, 27. Juli 2009

stille lebensbejahung

Betrachten wir Porträts Amadeo Modiglianis. Ein neutraler Gesichtsausdruck, passiv, elegisch, melancholisch? In der Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn sind Zitate des Künstlers selbst zu lesen, er begreift offenbar seine Gestalten als Ausdruck stiller Lebensbejahung.
Das verwundert doch, haben die Figuren nicht vielmehr Züge biometischer Passbilder - quadratisch ausdruckslos -, deren Anforderungen auf der Foto-Mustertafel des BMI detailliert beschrieben sind: "Das Foto muss die Gesichtszüge der Person von der Kinnspitze bis zum oberen Kopfende, sowie die linke und rechte Gesichtshälfte deutlich zeigen. (...) Das Gesicht muss in allen Bereichen scharf abgebildet, kontrastreich und klar sein." Auch Modigliani konzentriert sich auf das Gesicht, denn dessen Konturen sind am deutlichsten hervorgehoben, genauer auf die Linie zwischen den Augenbrauen über Nase, Kinnpartie zu dem Hals. Diese Verformung, eine allgemeingültige, immer wieder auftauschende Gesichtsformation, dominieren die Emotionen. Die biometrischen Passbilder verfolgen nun einen klaren Zweck, sie dienen der bestmöglichen Identifikation von Person. Will auch Modigliani seine Impression einer Person unverfälscht dem Betrachter nahebringen?

"Die Person muss auf dem Foto direkt in die Kamera blicken. Die Augen müssen geöffnet und deutlich sichtbar sein und dürfen nicht durch Haare oder Brillengestelle verdeckt werden." Die Universalität der Form ist bei Modigliani hingegen subjektiv verzerrt: Die überlange Nase, überlange Kinnpartie und der lange Hals prägen seine Form. Hat er Menschen so gesehen? Die pupillenlosen Augen in der Farbe des Hintergrundes scheinen den Betrachter dennoch vielsagend anzublicken. Die gewölbten Augenbrauen in dem einen Porträt signalisieren doch Bestimmtheit, während wenn ein Auge tiefer als das andere liegt der Eindruck einer nachdenklichen Pose hervorgerufen wird. Modiglianis Formensprache ist somit nicht uniform, trotz Ähnlichkeit sind subtil einzelne Charakterzüge zurückhaltend reduziert herausgearbeitet.
Modigliani zeigt so doch dann eine interessante, wenn nicht sogar paradoxe Form der Lebensbejahung: Nicht eine laute Fröhlichkeit, eine bunte Zuversicht, sondern eine in der Nachdenklichkeit und Subtilität verwurzelte Freude an Beobachtungen. Die Menschen durch das Auge Modiglianis sind in klaren Formen irgendwie hingestellt als sie selbst. Klar identifizierbar im Lichte Modiglianis. Dass dies genügt, ist doch auch eine Form der Zuversicht?

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