Freitag, 14. August 2009

unglaubliche stapeleien

Gute Geschichtenerzähler gibt es viele. Allerdings geht manches doch entschieden zu weit. Nicht bei dem harmlos offensichtlichen Fabulierer Ingol Haberstruber – von dem schon die Rede war –, aber bei Betrügern wie Ponzi oder Bernard Madoff. Sie alle aber hätten ihren Meister in einem Mann gefunden, der eine ganze Herkunft, eine neue Kultur und ein eigenes Leben erfunden hat: Eine blonder, hellhäutiger Mann, der von etwa 1702 bis 1706 in London behauptete, von der asiatischen Insel Formosa zu zu stammen. Deren Kultur hielt er schriftlich in einem Buch "An Historical and Geographical Description of Formosa" fest. Es ist ein Hochstapler, der mittels seiner Erzählungen derart zu Ruhm und Beliebtheit gelangte, dass er seine „Muttersprache“ in Oxford an der Universität unterrichten durfte. Noch seine Memoiren ließ er posthum nicht unter seinem tatsächlichen Namen veröffentlichen: *** Commonly known under the name George Psalmanazar“ nennt sich der Autor.

Geschichte Teil 1
Der Herr Psalmanazar erzählte der Londoner Gesellschaft von seiner Heimat und lebte seine Erzählungen: Formosa ist die beste und schönste Insel Asiens mit der Hauptstadt Xternetsa. Die Männer dürfen mehrere Frauen, zugleich heiraten. Kann er eine nicht mehr ernähren, wird er jedoch geköpft. Deswegen muss vor jeder Hochzeit sorgfältig geprüft werden, ob er die Braut unterhalten kann. Die Anzahl der Frauen kann sich wieder verringern, wenn der Ehemann beschließt, eine der Auserwählten Gattinen zu verspeisen.

Überhaupt geht es nicht immer friedlich zu: Jedes Jahr opfert das Volk den Göttern die Herzen von 18.000 Jungen. Verurteilte Mörder werden kopfüber gehängt und mit Pfeilen beschossen, die die Körper anschließend von den Priestern verspeist, die im Übrigen Sonne und Mond vergötterten. Zu Tieren haben die Bewohner dagegen ein enges Verhältnis: Schlangen tragen sie an ihrem Körper mit sich herum, Kröten als Haustiere liefern nützliches Gift.

Die Mahlzeiten sind deliziös: Rohes Reh-, Hühner und Schlangenfleisch gehört zu den bevorzugten Gerichten. Dazu aus Wurzeln hergestelltes Brot. Es empfiehlt sich daneben ein Gläschen Puntet, ein Liquör, der von Bäumen fließt. Der Baum nennt sich Charpok und ähnelt einem Walnussbaum, mit dem Unterschied, dass die Früchte himmelwärts abstehen. Diese Namen entstammen der ureigenen Sprache, die dem Volk von demselben Propheten Psalmanaazaar!, der auch das formosische Recht prägte, gegeben wurde. Die Beschreibungen erinnern doch zu stark an in den Mund fliegenden gebratenen Tauben und beschwören ein Schlaraffenland, wenn sie nicht gerade zur Dystopie schwanken.

Geschichte Teil 2
Und natürlich flog es schließlich auf: „vilest and most odious impostures“, „scandalous piece of forgery“, „long train of the most unaccountable follies and vanities“ sind angemessene Namen für derartige Gaukeleien. Sie stammen aus keiner anderen Feder als demselben Herrn Psalmanazar, den man nunmehr wohl Herrn *** nennen muss. Nach seiner Entlarvung packte ihn wegen seiner religösen Erziehung die Reue. Er schrieb seine Memoiren, in denen er sein wahres Leben enthüllen wollte. Aber was soll man von jemandem halten, der außerhalb Europas weder geboren, aufgewachsen, unterrichtet wurde, sondern zunächst in den südlichen Regionen Europas gelebt und es ihn aus bestimmten Gründen mit 16 Jahren eher in nördliche Gefilde verschlagen hat. Sehr präzise – da freut man sich doch über die Ergänzung, dass nördlich nicht nördlicher als der deutsche Rhein oder England ist. Er wurde Hauslehrer mit unterschiedlichen Anstellungen. So wechselte er einst zu einem „man of distinction“, doch widmet sich weniger den Kinder, als der Ehefrau. Beim Militär entdeckte er, dass einem Mann aus Japan ganz anders zugehört wird, als einem mit unbestimmter Herkunft...Seitenlange Ausführungen über seine Geltungssucht, seine besondere Intelligenz, über Reue über Religion. Warum die vielen schwammigen Angaben fragt man sich doch, warum sich ständig entschuldigen. Ob das nicht wieder eine gute Geschichte des Autobiographen ist. Vielleicht aber auch nicht, denn kein geringerer als Samuel Johnson war ein enger Freund von Herrn*** und hat ihn für eine ehrliche Haut gehalten.

So ist die Geschichte Teil 1 völlig unglaubwürdig und Geschichte Teil 2 zweifelhaft. Der Roman „Die Lichter des George Psalmanazar“ von Daniela Dröscher scheint dennoch Gutes in *** zu suchen. Dies ist bestimmt (ungelesen – keine Leseempfehlung) eine ebenso gute Geschichte wie die des Herrn selbst und kommt hoffentlich mit weniger Wiederholungen aus.

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